Casino-Software made in Slovenia
Mit dem Split von Gamanza und der Übernahme eines grossen Teils des Geschäfts durch die Grand Casino Baden AG verfügt die Gruppe mit einem Schlag über drei zusätzliche internationale Standorte. Ein Arbeitsbesuch in Slowenien, wo rund die Hälfte der Entwicklerinnen und Entwickler tätig sind.
Wer die Gamanza-Filiale in Ljubljana in einer Garage sucht, wie der Legende zufolge die heutigen IT-Giganten wie Apple, HP oder Google gestartet waren, der wird enttäuscht. Die Räumlichkeiten an der Hacqetova ulica 1a unmittelbar nördlich des Hauptbahnhofs wirken eher wie eine moderne Version dieser zu Büroräumlichkeiten umgenutzten Wohnungen, wie man sie auch in Zürich zuhauf findet.
Gleichwohl verbreitet die Dreizimmerwohnung aber durchaus noch die Idee eines Start-ups, das so schnell gewachsen ist, dass die Räumlichkeiten nicht mithalten konnten. Andrea Pulević hätte uns deshalb auch lieber erst zwei Wochen später empfangen. Denn das Team in Ljubljana zieht in diesen Tag um. «Die Schlüssel haben wir schon, aber das W-LAN ist noch nicht installiert», erklärt die HR-Verantwortliche von Gamanza.
Effektiv platzen die beiden Arbeitszimmer aus allen Nähten. Simon Pukl, Senior Account Manager, platziert einen 27-Zoll-Bildschirm neben seinem Macbook Pro bei uns im Konferenzraum. Seinen eigentlichen Arbeitsplatz hat er frei gemacht für einen der beiden neuen Kollegen, die heute ihren ersten Arbeitstag haben. Andrea, die HR-Managerin, arbeitet in einem Sofa-Sessel, denn auch im hinteren der beiden Arbeitsräume sind alle Plätze besetzt. Was ein klein wenig allerdings auch dem Umstand geschuldet ist, dass mit Johanna Rivera, Leonardo Monge und Diego Hidalgo diese Woche auch noch eine Kollegin und zwei Kollegen aus der Niederlassung in Costa Rica hier arbeiten.
Zusammenarbeit quer über den Atlantik
Der Mitarbeiter-Austausch ist Teil eines Programms, um sich gegenseitig besser kennen-zulernen, erzählt Boris Ferš, der als Mitglied der Geschäftsleitung von Gamanza die Teams in Slowenien leitet. Viele der Kolleginnen und Kollegen, die in einer Entfernung von 9‘856 Kilometern Luftlinie an derselben Software arbeiten, kennen sich immer noch erst virtuell, aus diversen Sitzungen über die Videokonferenz-Software Teams.
«Wir waren mit einer Delegation von drei Kollegen hier aus Slowenien bereits einmal in Costa Rica zu Besuch», erzählt Ferš. Jetzt halten die Kollegen aus Mittelamerika quasi «Gegenrecht». Die Zusammenarbeit über die Zeitzonen sei natürlich eine Herausforderung, räumt Ferš ein, immerhin beträgt der Zeitunterschied acht Stunden: «Wenn wir in den Feierabend gehen, beginnt Costa Rica zu arbeiten.»
Wenn der persönliche Austausch nötig ist, habe man sich allerdings angewöhnt, dass halt die Kollegen in Slowenien etwas länger bleiben und Costa Rica etwas früher zu arbeiten beginne. Zudem ist die Software modular aufgebaut, und die Arbeit an den Modulen ist zwischen Slowenien und Costa Rica aufgeteilt: Das CRM (Customer Relationship Management) wird beispielsweise in Costa Rica bearbeitet, das zentrale PAMS (Player Account Management System) in Slowenien.
Treffen für alle in der Schweiz
Alle zusammen werden sich im August 2022 zum ersten Mal treffen, in der Schweiz. Dann ist aus Anlass des zwanzigjährigen Jubiläums des Grand Casino Baden eine gros-se Party für alle Teams aus allen weltweiten Filialen geplant. Die Vorfreude darauf, das Headquarter und die Schweiz persönlich kennenzulernen, ist bei allen gross.
Das mag auch damit zu tun haben, dass bei vielen durchaus auch etwas Stolz zu spüren ist, für Gamanza zu arbeiten. Später in Koper wird ein Kollege fragen, ob denn den Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz bewusst sei, dass schon rund die Hälfte aller Schweizer Online-Casinos mit der Gamanza-Software arbeiten würden. Wir beruhigen, dass sich die Kollegen in Baden dessen sehr wohl bewusst seien und die Leistungen von Gamanza in den letzten Jahren auch immer wieder Thema seien.
Positives Feedback auf Unternehmens-Split
Die vollständige Übernahme der Gamanza-Gesellschaften in Slowenien und Costa Rica durch die Stadtcasino Baden Gruppe wird von allen, mit denen wir hier sprechen, positiv bewertet. Das neue Management habe mehr Strukturen und Prozesse eingeführt, erzählen sie. Dadurch sei es möglich geworden, verlässlicher und viel geplanter an die einzelnen Entwicklungsschritte heranzugehen. «Lange hatten wir oft einfach einen Brand nach dem anderen löschen müssen, jetzt ist eine Ressourcenplanung erkennbar», erzählt eine Kollegin, die schon länger dabei ist.
Grosses Gewicht liegt auf einer neuen, verbesserten Zusammenarbeit mit den Kundinnen, sprich: den verschiedenen Schweizer Online-Casinos. «Wir arbeiten daran, gegen-über unseren Kunden grössere Transparenz herzustellen», erklärt Simon Pukl, der verschiedene Kundenprojekte betreut. «Wir wollen die Zusammenarbeit mit unseren Kunden verstärken, indem wir genau zuhören, was ihre Bedürfnisse sind, einen Fahrplan mit einer Zeitleiste erarbeiten, die ihnen aufzeigt, wie lange eine Entwicklung dauert, aber auch transparent den aktuellen Entwicklungsstatus aufzeigen, inklusive Abhängigkeiten von Leistungen des Kunden und allfälliger Verspätungen. Das Ziel ist, dass so für alle zusätzlichen Funktionalitäten die Erwartungen auf beiden Seiten erfüllt werden können.»
Und solche werden immer noch regelmässig in die Software eingepflegt – aus unter-schiedlichen Gründen. «Teilweise haben die Kundinnen und Kunden spezifische Wünsche für zusätzliche Funktionen», erzählt Simon, «sowohl im Frontend – also dem Bereich, der am Ende auch für die Spielerinnen und Spieler sichtbar ist – als auch im Backend, dem Verwaltungsteil der Software.»
Solche werden als Feature-Requests evaluiert, mit einer Priorität versehen und auf den Wunschzettel aufgenommen. Viele Anpassungswünsche werden aber auch aufgrund zusätzlicher Anforderungen der ESBK umgesetzt und betreffen insbesondere Verbesserungen im Bereich der Sozialkonzepte der verschiedenen Online-Casinos. Andere werden wiederum aufgrund von Marktentwicklungen nötig – etwa, wenn neue Spiele für Online-Casinos auf den Markt kommen – was notabene im Wochentakt geschieht.
Rules-Engine versus «Hard Coding»
Eine der grösseren Veränderungen der letzten Zeit ist die Entwicklung der «Rules Engine». Dieses Software-Modul ermöglicht es jeder Betreiberin eines Online-Casinos, selbst zu definieren, welcher Vorgang auf der Plattform eine bestimmte Reaktion auslösen soll – beispielsweise einen Alarm ausgeben oder eine andere Aktion in einer anderen Softwarekomponente auslösen. Ein Beispiel: Ein Casino-Betreiber kann über dieses Software-Modul einstellen, dass eine Auszahlung eines Spielers automatisch freigegeben wird, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Oder dass bei einer anderen Spielerin aufgrund vordefinierter Kriterien das Spielerkonto gesperrt wird. Oder dass beispielsweise, wenn ein Jackpot fällt, das Marketing-Team des entsprechenden Casinos automatisch eine SMS zugestellt erhält.
Solche Features waren früher «hard coded», erklärt Pukl. Das heisst, in einer Art und Weise in der Software hinterlegt, dass Änderungen ausschliesslich von den Programmierern vorgenommen werden konnten. «Mit der neuen Rules Engine können Online-Casinobetreiber das alles selbst konfigurieren und so auch beispielsweise alle Bestimmungen ihrer Sozialkonzepte selbständig in der Software hinterlegen, ohne dass wir die Details kennen müssen.»
Denn dieser Aspekt war nicht gänzlich unproblematisch, räumt auch GL-Mitglied Boris Ferš ein: «Wir betreiben innerhalb der Stadtcasino Baden Gruppe mit jackpots.ch ja ein eigenes Online-Casino und gleichzeitig sind die Mitbewerberinnen von jackpots.ch unsere Software-Kundinnen. Da sind klare Spielregeln gefragt, um dem Verdacht zuvorzukommen, dass wir jackpots.ch bei der Entwicklung bevorzugt behandeln würden.»
Die neue Rules Engine macht die Kundinnen diesbezüglich autonomer von den Entwicklern. «Wichtig ist auch, dass die Rules Engine natürlich nicht nur für Alarme im Bereich des Spielerschutzes verwendet werden kann. Auch Marketing-Aktivitäten können so gesteuert werden. Beispielsweise, dass ein Spieler, der sich nach längerer Zeit wieder einmal anmeldet, einen Bonus erhält oder eine SMS oder E-Mail mit einem bestimmten Inhalt», ergänzt Pukl.
Programmieren, wo andere Ferien verbringen
Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gamanza Slowenien arbeiten nicht in der Hauptstadt, sondern eine gute Autostunde weiter südwestlich in Koper. Die Hafenstadt liegt direkt an der Adriaküste, nur wenige Autominuten vom italienischen Triest entfernt und ist aufgeteilt: Im Norden der grosse Industrie- und Hafenkomplex, im Süden die pittoreske Altstadt, die insbesondere über den Sommer viele Touristinnen und Touristen anzieht. In Koper hatte alles begonnen, als der schwedische Unternehmer Magnus Lindberg seinerzeit Gamanza gründete. Gegenwärtig arbeiten rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Koper aus (gegenüber zehn in Ljubljana).
Die beiden Standorte zusammenzuführen hält niemand in Slowenien für eine gute Idee. Pendlerzeiten von einer Stunde oder mehr, wie sie in der Schweiz keine Seltenheit sind, hätten in Slowenien einen schweren Stand. Špela Žagar, eine der Programmierinnen in Koper, rechnet vor: «Um mit dem Zug von Koper nach Ljubljana zu fahren, brauchst du 2,5 Stunden – mit dem Auto eine Stunde. Das tut sich niemand an.» Üblich sind hier Arbeitswege von 15 Minuten.
Software programmieren, wo andere Ferien machen: Die Hafenstadt Koper lockt mit einer idyllischen Altstadt und einem grossen Bootshafen.
Angespannter Arbeitsmarkt – auch in Slowenien
Hinzu kommt, dass der Markt für gute Programmierinnen und Programmierer unterdessen auch in Slowenien umkämpft ist. «Es herrscht ein Nachfrageüberhang», heisst es unisono. Insbesondere, seit auch grosse US-Gesellschaften entdeckt haben, dass Slowenien ein guter Standort für ihre Software-Entwicklung ist und entsprechend mit guten Löhnen und Fringe Benefits locken. Das Risiko, durch einen Umzug Kolleginnen und Kol-legen zu verlieren, die beispielsweise aufgrund von Familie geografisch gebunden sind, ist viel zu gross.
«Die fehlenden Software-Ingenieure sind allerdings ein weltweites Phänomen», erzählt Filip Matijević, der in Koper den Standort und ein Entwicklerteam leitet. Fähige Programmierer sind weltweit gefragt, das geht so weit, dass gegenwärtig Berichte darüber kursieren, wie Firmen gezielt russische Software-Entwickler angehen und ihnen anbieten, ihnen die komplette Übersiedelung aus Russland zu organisieren, wenn sie sich im Gegenzug verpflichten, für die Firma zu arbeiten.
So weit geht Gamanza nicht. Boris Ferš, Filip Matijević und Andrea Pulević betonen aber, dass es auch für sie wichtig sei, Gamanza auf dem slowenischen Arbeitsmarkt besser zu positionieren. So wird Gamanza beispielsweise am Dragon Hack, dem slowenischen Pendant zum Hackathon, als einer der Hauptpartner präsent sein, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu zeigen. Ist die Arbeit an einer Software-Plattform für Online-Casinos aber für ambitionierte Software-Ingenieure überhaupt eine Herausforderung?
Anspruchsvolle Casino-Software
Absolut, erzählt Andrej Ivanovič, der selbst in Koper seit Anbeginn der «Gamanza Story» mit an Bord ist. Eine der Herausforderungen sei insbesondere das hohe Tempo der Verbindungen: «Wenn ein Spieler an einem Online-Slot ein Spiel startet, dann muss das verzögerungsfrei passieren. Der Gast will auf seinem Bildschirm sofort eine Reaktion sehen. Will heissen: In Bruchteilen von Sekunden.»
Und das sei für die Entwickler sehr wohl eine Herausforderung, bei der sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen. «Das ist vielleicht vergleichbar mit den Anforderungen einer Börsensoftware, wo es im Hochfrequenzhandel auch sehr schnell gehen muss. Das ist deshalb wesentlich anspruchsvoller als beispielsweise der Programmcode für den Internet-Kleiderladen, bei dem es auch einmal eine Sekunde dauern darf, bis nach dem Kauf die Bestätigungsseite aufgebaut ist.»
Nächstes Abenteuer: Markt Deutschland
Nebst der Pflege der aktuellen Softwareversion von GaminGenius steht für die Gamanza-Crew im Herbst ein Meilenstein an: Bis dahin soll die Software bereit sein für neue Kundinnen in Deutschland. Die Bundesrepublik ist nämlich eben dabei, den Markt für eigene Online-Casinos zu öffnen – wie in der Schweiz allerdings mit hohen regulatorischen Vorgaben. Genau das also, worauf sich die Gamanza-Software und ihre Programmiere-rinnen und Programmierer am besten verstehen.