Jürg Altorfer im Interview
Jürg Altorfer, Casino Davos war lange Jahre ein «Sorgenkind» der Gruppe, mehrfach wurde in früheren Geschäftsberichten die Schliessung erwogen. Sind Sie froh, das Sorgenkind losgeworden zu sein?
Nein, wir sind froh, dass wir für das Casino Davos eine gute Lösung gefunden haben. Wir haben mit diesem Engagement enorm viel gelernt und Knowhow aufgebaut, das uns im Hinblick auf die Neukonzessionierung hilft.
Welche Lehren sind das?
Beispielswiese die, dass ein Bergcasino in der Schweiz nur profitabel zu betreiben ist, wenn es über ein starkes Online-Geschäft verfügt, über das es den terrestrischen Betrieb quersubventioniert.
Aber solche Quersubventionierungen sind in der Unternehmenswelt doch verpönt?!
Ja, und das sind sie auch beim Schweizer Regulator. Die Erkenntnis ist doch die: Wir haben mit dem Grand Casino Baden eines der ertragsstärksten Casinos im Rücken und bringen alles mit, was es an Know-How für den erfolgreichen Betrieb eines klassischen Casinos braucht. Wenn wir es dann nicht schaffen, ein Bergcasino für sich alleine profitabel zu betreiben – wer sollte es dann können?
Zu Beginn des Engagements gaben sich Geschäftsleitung und Verwaltungsrat ja noch sehr optimistisch. Hatte man sich verrechnet?
Wir müssen zwei Effekte sehen: Zum einen geht der Wintertourismus generell durch schwere Zeiten. Der starke Franken macht dem Tourismus zu schaffen. Ich erinnere, dass 2015 der Kurs EUR/CHF kurzfristig einmal bis zur Parität absackte, also zum Verhältnis 1:1 getauscht wurde. Zum anderen sind die da die regulatorischen Vorgaben: Sie haben verschiedene Kostensenkungen verhindert. Beides sind unternehmerische Erfahrungen, die uns aber heute an vielen Stellen zugutekommen.
Die Zahlen zu Casino Davos sind nicht erbaulich: Das Engagement hat die Stadtcasino Baden Gruppe unter dem Strich über die zehn Jahre CHF 2.5 Mio. Franken gekostet.
Natürlich hätten wir gerne ein positives Ergebnis ausgewiesen. Gleichzeitig muss man diese Zahl in einen Kontext stellen. Wir haben 2021 mit dem Online-Casino jackpots.ch einen Bruttospielertrag von CHF 46 Mio. Franken erwirtschaftet. Nach Abzug der Aufwände steuert jackpots.ch einen Gewinnbeitrag von CHF 6.5 Mio. zum Konzernergebnis bei. Wir wären mit jackpots.ch ohne Davos nicht an diesem Punkt. – Wir haben also Davos schon fast dreifach überkompensiert. Hinzu kommen alle weiteren positiven Aspekte des Engagements in Davos wie der Know-How Gewinn.
jackpots.ch hätte diesen Gewinnbeitrag aber auch erwirtschaftet, ohne dass in Davos so viel Geld abgeflossen wäre.
Da muss man eben den Gesamtkontext sehen: Wir sind mit jackpots.ch ein Risiko eingegangen – übrigens als einzige Schweizer Casino-Gesellschaft: Wir entschieden uns dafür, eine eigene Software für den Betrieb von jackpots.ch zu entwickeln – über unser damaliges Joint-Venture, die Gamanza Group. Niemand sonst hat diese Chance wahrgenommen – wir schätzen, weil natürlich allen bewusst war, wie oft solche Software-Projekte als Millionengräber enden. Auch wir hätten aber dieses Risiko niemals eingehen können, wenn wir nicht parallel beim Online-Projekt des Casino Davos eine andere Strategie verfolgt hätten. Dort setzten wir auf die Partnerschaft mit einem etablierten Anbieter und dessen Software-Lieferant, der schon in mehreren Märkten erfolgreich unterwegs war. Falls die Eigenentwicklung also nicht funktioniert hätte, wären wir immerhin mit Davos und casino777.ch rechtzeitig am Start gewesen.
"Wir haben mit diesem Engagement enorm viel gelernt und Know-how aufgebaut, das uns im Hinblick auf die Neukonzessionierung hilft."
Nur ging nun prompt die Sache mit dem Partner nicht auf?
Das ist eben das faszinierende am Unternehmertum: Manchmal kommt am Ende alles anders. Allen Befürchtungen zum Trotz ist die Eigenentwicklung gelungen und die Software unserer Tochterfirma Gamanza wird aktuell von mehr als der Hälfte der Schweizer Online-Casinos eingesetzt. Dafür zollt uns der ganze Markt Respekt. Im Herbst wollen wir bereit sein, um sie auch auf dem deutschen Markt anbieten zu können. Die Dualstrategie ist voll aufgegangen: Wir stehen heute mit einem neuen Business-Zweig da, der Software-Entwicklung. Sie hat grosses Potential und ein ganz anderes Risiko-Profil als das klassische Casino-Geschäft.
Was heisst das?
Am einfachsten Punkt erklärt: Die Entwicklung der Software benötigt keine Konzession. Zudem ist die Kombination an Know-how, die wir uns mit casino-777.ch und jackpots.ch erarbeitet haben, einmalig: Wir dürfen mit Fug und Recht behaupten, dass keine andere Gesellschaft so viel Erfahrung mitbringt bei der Lancierung von Online-Casinos in stark regulierten Märkten: Wir haben zwei Casinos selbst am Markt eingeführt, Gamanza hat für fünf weitere Online-Casinos die Software geliefert. Wir haben Erfahrungen mit unserer eigenen und mit Dritt-Software: Mit dieser Kombination sind wir in allen stark regulierten Märkten gefragt, die neu aufgehen. Sei es als Technologie-Partner, als «Unternehmens-Berater» bei der Einführung von Online-Casinos, als Joint Venture-Partner oder als eine Kombination davon.
Zurück zu Davos: Woran ist denn das Partnerkonzept konkret gescheitert?
Wir mussten feststellen, dass die Software-Firma, mit welcher unser Partner Ardent in anderen Ländern erfolgreich zusammengearbeitet hatte, die spezifisch schweizerischen Anforderungen eben doch nicht so einfach umsetzen konnte. Im Sommer/Herbst 2021 zeichnete sich ab, dass noch viel Geld für weitere Anpassungen hätte investiert werden müssen – mit, aus unserer Sicht, unsicherem Ausgang. Und wir sahen gleichzeitig, dass wir mit unserer Gamanza-Software «GaminGenius» diesbezüglich wesentlich weiter waren.
Andere Mitbewerber funktionieren ja mit ausländischen Partnern sehr wohl: Hatten Sie einfach den falschen Partner ausgewählt?
Das wäre dann so, falls alle anderen Mitbewerber mit ihren ausländischen Partnern absolut keine Probleme hätten. Wir hören andere Signale aus dem Markt, können das am Ende aber nicht umfassend beurteilen. Wichtig ist: Wir wussten darum, dass wir im Bereich der Online-Casinos ein unternehmerisches Risiko eingehen – oder sogar: eingehen müssen. Wir haben dieses Risiko mit der Dual-Strategie abgefedert. Und wir stellen heute fest, dass sich der Business-Case, der als risikobehafteter beurteilt wurde, besser funktioniert hat als die vermeintlich «sicherere» Variante. Mit dem Resultat, dass wir heute für die Zukunft besser aufgestellt sind denn je.