Sozialkonzept neu aufgelegt
Das Sozialkonzept eines Casino-Betreibers ist eines seiner wichtigsten strategischen Assets. Es betrifft den sensibelsten Bereich des Casinogeschäfts: Die Verhinderung von negativen sozialen Folgen durch das rechtzeitige Erkennen von Gästen mit problematischem Spielverhalten.
Die Stadtcasino Baden Gruppe hat im Jahr 2021 ihr Konzept zum Schutz von Spielerinnen und Spielern komplett überarbeitet.
Die Ausgangslage ist nicht ohne: einerseits erwartet die Politik von den Schweizer Casino-Betreiberinnen, hohe Bruttospielerträge zu generieren, von denen schliesslich bis zu 80 Prozent in Form der Spielbankenabgabe beim Staat landen. Gemäss Statistik haben denn auch alle Schweizer Casino-Betreiberinnen in dieser Konzessionsphase gemeinsam mehr als 7 Milliarden Franken abgeführt.
Gleichzeitig verlangt der Staat, dass die Betreiberinnen alle Vorkehrungen treffen, um Menschen, die in die Spielsucht abzugleiten drohen, rechtzeitig zu entdecken, zu sperren und dem Staat damit soziale Auffangkosten zu ersparen.
Dazu verlangt das Gesetz bereits vor der Konzessionserteilung ein klar definiertes Sozialkonzept, wie eine Casino-Betreiberin vorzugehen gedenkt, um problematisches Spielverhalten rechtzeitig zu erkennen. Die Umsetzung dieser Konzepte wird von der Aufsichtsbehörde regelmässig im Rahmen von Audits überprüft. Bei der Stadtcasino Baden Gruppe wird aber auch casino-intern an stetigen Verbesserungen der Konzepte gearbeitet.
Wer ist Theo Loss?
Das neue Konzept des klassischen Casinos geht von einem «theoretischen Verlust» aus, den ein Gast bei einem Besuch im Casino erleiden könnte. Im Casino-Jargon der «theo loss» – die Abkürzung für «Theoretical Loss». Er wird aufgrund von Erfahrungswerten mit CHF 200 pro Casinobesuch und Gast angenommen.
Georgette Stadtmann ist beim Grand Casino Baden Bereichsleiterin Compliance und seit 17 Jahren für das Sozialkonzept (mit)verantwortlich. Sie erklärt: «Das neue Sozialkonzept verlangt, dass wir einen Gast spätestens bei seinem zehnten Besuch (und einem theoretischen Verlust von CHF 2000) zum Thema Spielsucht sensibilisieren. Das geschieht insbesondere dadurch, dass ihm die wichtigsten Grundlagen des Sozialkonzepts durch jemanden aus dem Casino-Team erklärt werden und er Informationsmaterial erhält.» Im Online-Casino findet die Sensibilisierung zwar bei derselben Schwelle statt, aber anders: Nämlich dadurch, dass sich am Bildschirm automatisch ein Pop-Up öffnet mit Informationen zum Thema Sozialkonzept.
Anpassung des Schwellenwerts an individuelle Verhältnisse
Für das neue Sozialkonzept hat auch der Schweizer Medianlohn eine Rolle gespielt, also der mittlere Lohn. Er wird bei der Frage berücksichtigt, ab welcher Verlusthöhe die 2. Stufe des Sozialkonzepts zu greifen beginnt. Die Grundidee dahinter ist die Überlegung, dass das Sozialkonzept greifen soll, bevor ein Gast mit einem Medianlohn so häufig spielt oder so hohe Verluste generiert, dass er in finanzielle Bedrängnis geraten könnte.
Da das Einkommen der meisten Gäste nicht exakt dem Medianlohn entsprechen dürfte, sondern darunter oder darüber liegt, wird der Theo Loss individuell angepasst, sobald mehr über einen Gast bekannt ist. Solange das Casino allerdings über keine weiteren Informationen verfügt, wird zunächst das Alter als Kriterium hinzugezogen: «Wir gehen beispielsweise davon aus, dass Menschen zwischen 18 und 20 den Medianlohn in der Regel nicht erreichen dürften, weil sie noch studieren oder eine Lehre absolvieren.» Bei ihnen werden deshalb die Schwellenwerte, ab wann das Sozialkonzept greift, tiefer angesetzt.
Der Medianlohn
Unter dem Medianlohn versteht man einen mittleren Lohn. Der Medianlohn liegt dort, wo ebenso viele Menschen mehr oder weniger Geld pro Monat erhalten. Als Beispiel: In einem Land mit 1 Mio. Lohnempfängerinnen und -empfängern könnte ein Medianlohn von beispielsweise CHF 5 000 bedeuten, dass 450 000 Menschen mehr als CHF 5 000 erhalten und 450 000 Menschen weniger – und 100 000 genau CHF 5 000. Der Medianlohn hat gegenüber dem reinen Durchschnittslohn den Vorteil, dass insbesondere wenige übermässig hohe Einkommen das Bild nicht verzerren und einen viel höheren Durchschnittslohn ergeben, als er dem Gros der betroffenen Menschen entspricht. Im Jahr 2020 betrug der Medianlohn in der Schweiz CHF 6 665 pro Monat (Quelle: Bundesamt für Statistik).
Nächste Stufe: Bonitätsprüfung
Die nächste Stufe des Sozialkonzepts greift bei 50 Casinobesuchen. «Bei einem theoretischen Verlust von CHF 200 pro Besuch wären wir jetzt bei CHF 10 000 angelangt», erläutert Georgette Stadtmann. «Bei einem Gast zwischen 18 und 20 Jahren setzen wir diese Schwelle aber schon bei 25% an, also bei CHF 2 500» Auf dieser Stufe erfolgt jetzt eine Bonitätsprüfung des Gastes aufgrund öffentlich zugänglicher Daten. Falls diese Prüfung Hinweise auf mögliche finanzielle Probleme ergibt, wird zur weiteren Abklärung ein aktueller Betreibungsregisterauszug eingeholt. Bestätigt dieser die Hinweise auf mögliche finanzielle Probleme, wird für diesen Gast unmittelbar eine «Früherkennung Intensiv» durchgeführt: Er wird mit Finanznachweis überprüft und in den meisten Fällen auch durch das Casino schweizweit gesperrt (vgl. unten).
Aber was, wenn ein Gast sehr viel höher spielt als die angenommenen CHF 200 und damit vielleicht schon nach fünf Casino-Besuchen den Schwellenwert von CHF 10 000 Verlust erreicht hat? «Hier greift die Aufsicht im Saal», sagt Georgette Stadtmann: Die Automaten im Spielsaal alarmieren beispielsweise die Spielaufsicht, wenn ein Spieler längere Zeit hohe Einsätze spielt.» Zudem würden Gäste mit einem problematischen Verhalten oft über bestimmte Verhaltensweisen identifiziert. Da sind dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Spielsaal gefragt, die jedes Jahr von Neuem auf die Erkennung solcher Merkmale geschult werden. «Es gibt ein ausgefeiltes System, um solche Meldungen zu erhalten», erklärt Stadtmann, «allerdings wollen wir auch nicht alles offenlegen. Sonst besteht das Risiko, dass Gäste diese Erkennungsmerkmale, wir sprechen von ‹Alerts›, gezielt zu umgehen versuchen.»
«Früherkennung Normal» ab CHF 20 000 Theo Loss
Erreicht ein Gast die Schwelle von CHF 20 000 Theo Loss, also nach 100 Besuchen ohne Auffälligkeiten, kommt er in die «Früherkennung Normal».
Eine «Früherkennung Normal» bedeutet, dass der Gast von einem Mitglied des Kaders angesprochen wird und in dem Gespräch die finanziellen Verhältnisse geklärt werden. «Bei diesem Gespräch wird dann erhoben, wie hoch der individuelle Betrag ist, den ein Gast sich leisten kann, der sogenannte Freibetrag. Dazu wird anhand der Angaben des Gastes der Theo Loss individuell berechnet. «Wenn ein Gast beispielsweise angibt, dass er pro Casino-Besuch nicht die angenommenen CHF 200 spielt, sondern beispielsweise nur CHF 100 oder aber auch CHF 500, dann wird nebst dem Freibetrag auch dieser individuelle Theo Loss im Gästeprofil hinterlegt», sagt Stadtmann.
«Natürlich kann ein Gast dabei jederzeit auch nachweisen, dass er über erheblich höhere finanzielle Mittel verfügt. Dann passen wir den Freibetrag nach oben an», sagt Stadtmann. Der 22-jährige Jungunternehmer, der sein Informatik-Studium abgebrochen und es mit einer selbst programmierten Finanz-App schon in jungen Jahren in die Bilanz-Liste der 300 reichsten Schweizer geschafft hat, kann deshalb höhere Beträge spielen, ohne in die nächste Stufe des Sozialkonzepts zu gelangen. «Eine solche Anpassung ist aber natürlich auch nach unten möglich», erklärt Stadtmann: «Wenn wir von einer Person wissen, dass sie weniger als den Medianlohn verdient, dann erfolgt eine Anpassung nach unten.»
Erreicht ein Gast später 90% seines festgelegten Freibetrags, erfolgt eine weitere Überprüfung: Dabei wird ein Betreibungsregisterauszug eingeholt und die Angaben des Gastes aus dem Gespräch mit dem Kadermitarbeiter werden in Bezug auf seine durchschnittliche Verlusthöhe (also den Theo Loss) aufgrund einer Analyse seines Spielverhaltens plausibilisiert.
Höchste Stufe: Früherkennung Intensiv
Erreicht ein Gast 100% des festgelegten individuellen Freibetrags, erfolgt die höchste Stufe der Früherkennung, die «Früherkennung Intensiv». Diese Stufe kann allerdings auch durch andere Umstände ausgelöst werden. Beispielsweise, wenn Hinweise von Drittpersonen vorliegen. «Wenn etwa der Ehemann eines Gastes sich bei uns meldet und seine Sorgen mitteilt, dass die Ehefrau zu viel Geld verspielt, dann wird diese Stufe ebenfalls ausgelöst.» Sie hat umfassende Abklärungen über die finanzielle Situation eines Gastes zur Folge. «Das kann dann beispielsweise auch bedeuten, dass wir von einem Gast einen Finanznachweis verlangen, um seine Angaben aus den Gesprächen zu überprüfen.»
Stellt sich im Rahmen einer Früherkennung heraus, dass ein Gast sein Spielverhalten nicht ausreichend selbst kontrollieren kann, erfolgt umgehend eine Sperre. «Viele erkennen selbst, dass dieser Schritt sinnvoll ist und lassen sich selbst sperren. Falls die Einsicht nicht vorhanden ist, nehmen wir die Sperre vor», erzählt Georgette Stadtmann. Eine solche gilt anschliessend für alle Schweizer Casino – online wie offline – und ebenso für die Lotterien Swisslos und Lotterie Romande.
Online-Casino: Viele Selbstregulierungsmassnahmen
Für jackpots.ch gelten grundsätzlich dieselben Stufen des Sozialkonzepts. Allerdings können im Online-Casino durch die Computer-Technologie bereits von Anfang an verschiedene Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Tanja Erskine, die als Leiterin Compliance Online für die Umsetzung des Sozialkonzept bei jackpots.ch verantwortlich zeichnet: «Das beginnt damit, dass jeder registrierte Spieler und jede Spielerin in ihrem Spielerkonto Höchstwerte für die täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Netto-Verluste festlegen kann. Ist eine Limite erreicht, ist für die definierte Zeitperiode Schluss.» Auch Einsatz- oder Einzahlungslimiten können im System hinterlegt werden. Solche Limiten können die Spielerinnen und Spieler zwar auch selbst wieder nach oben anpassen, allerdings wird eine Anpassung nach oben erst mit 24 Stunden Verzögerung wirksam.
«Und für uns sind mehrfache solcher Anpassungen ein Alarmzeichen. Will heissen: Wir schauen dann genauer hin.»
Um Gäste zu erkennen, welche die Kontrolle über ihr Spielverhalten verlieren könnten, nutzt das Online-Casino eine Reihe von «Systematischen Auslösern», die in der Software «GaminGenius» von Gamanza voreingestellt sind: «Dazu gehören beispielsweise gewisse Nettoverluste innerhalb einer gegebenen Zeitspanne, eine lange Spieldauer am Stück, oder eben, wenn Gäste ihre persönlichen Spiellimiten mehrfach nach oben korrigieren.» Wird ein solcher Alarm vom System ausgelöst, beginnt der Früherkennungsprozess.
Auch im Online-Casino wird bereits ab der «Früherkennung normal» mit dem Gast Kontakt aufgenommen, um Informationen zur persönlichen und finanziellen Situation einzuholen. Basierend auf diesen Angaben ist eine Einschätzung der verfügbaren finanziellen Mittel besser möglich und es kann analysiert und entschieden werden, ob ein Spieler innerhalb seiner finanziellen Möglichkeiten spielt. Dazu wird ein Spielbudget erarbeitet und anschliessend im System hinterlegt. «Da wir aber jederzeit vollständig nachvollziehen können, wie ein Gast spielt, arbeiten wir nicht nur mit einem theoretischen Verlust, sondern verwenden auch die effektiven Zahlen», erklärt Tanja Erskine. – Ein Vorteil der Online-Welt.
Durch den frühen persönlichen Kontakt mit dem Kunden verspricht sich Erskine, dass mehr Gäste sensibilisiert werden können. «Gerade im Online-Casino gibt es ja viele Möglichkeiten, sich über die diversen Einstellungen im Spielerkonto selbst Grenzen zu setzen und damit sicher zu spielen. Das wollen wir mit dem neuen Konzept verstärken.» Die Erfahrung zeigt nämlich: Wenn bei Online-Spielerinnen und -spielern eine «Früherkennung intensiv» durchgeführt wird, ist die Chance gross, dass diese mit einer Sperre endet.
GRANDWINNERS-Gästeclub als Präventionsmassnahme
Ein vielleicht eher unerwartetes Element des Spielerschutzes ist das Loyality-Programm GRANDWINNERS. «Der Gästeclub» ermöglicht es uns, unsere Kundinnen und Kunden besser kennenzulernen», sagt Patrick Konzack, Chief Gaming Officer und Mitglied der Geschäftsleitung der Grand Casino Baden AG. «Je mehr wir über einen Gast wissen, umso rascher bemerken wir auch, wenn sich in seinem Spielverhalten etwas verändert. Bei 30 000 GRANDWINNERN ist es zwar auch nicht ganz einfach, alle im Blick zu haben», findet Konzack, aber «dass wir im Ruf stehen, ein familiäres Casinos zu sein, in das man auch kommt, um soziale Kontakte zu pflegen, hilft sicherlich, auch auf Gäste zu achten, die gerade eine schwierige Lebensphase durchmachen.»
Das Loyalty-Programm GRANDWINNERS dient auch dem Spielerschutz: Je besser ein Casino seine Gäste kennt, umso rascher erkennt es Veränderungen im Spielverhalten.